Eine saftige Wiese: Das ist der Startpunkt unserer Alpenüberquerung vom Tegernsee nach Sterzing. Sie dient als Parkplatz für unser Auto. Dort steht es nicht alleine. Denn auch zahlreiche andere Überquerer nutzen den offiziellen Platz unweit der Oedberglifte im Gmunder Ostteil Ostin*. Wir sind heute Morgen aus München angereist, haben vor Ort ein Parkticket gekauft und jetzt ziemlich nervös. Die schweren (wie sich im Nachhinein rausstellen sollte viel zu schweren – aber anderes Thema) Rucksäcke kommen das erste Mal so richtig auf unsere Schultern. Und so beginnt es also: unser Abenteuer Alpenüberquerung.
Vom Lift zum Tegernseeblick
Wir laufen los – vorbei an gerade zurückkehrenden Überquerern. Unsere Rucksäcke drücken. Wir müssen uns erst einmal eingrooven. Zum Glück sind die ersten Meter reichlich unspektakulär. Es ist die Fahrstraße, die im Winter Skifahrer Lift bringt. Unser Weg verlässt die Straße nach wenigen Metern und führt uns am Rand Ostin in Richtung Tegernsee. Es geht vorbei an einigen Bauernhöfen. Landidyll wie man es sich vorstellt. Doch so richtig haben wir dafür noch keine Augen. Wir suchen Wanderschilder und kämpfen mit unseren Rucksäcken. Die gelben Orientierungshilfen finden wir recht schnell. Der Kampf wird noch ein bisschen dauern. Auf den Schildern entdecken wir auch zum ersten Mal das Symbol, das uns die nächsten Tage zuverlässig begleiten wird: ein “Ü”. So geht es eine gute halbe Stunde dahin. Wir sind mittlerweile auf einem fein geschotterten Spazierweg eingebogen, der sich als Tegernseer Höhenweg herausstellt und durch einen schatten spendenden Wald führt. We lucky ones: denn die Sonne brennt. In einer kleinen Senke wird dann die Aussicht das erste Mal richtig weit und der Tegernsee zeigt sich das erste Mal.
Auf zum Tegernsee
Der Standort der Aussichts- und/oder Ruhebank am Wegesrand ist echt gut gewählt! Wir nutzen die Bank für eine erste Pause. Ok, soweit sind wir noch nicht gekommen aber wir müssen mal runterkommen – Stichworte: Rucksäcke und Eingrooven. Außerdem ist die heutige Etappe nicht so lang und erlaubt solche Pausen, um die Aussicht zu genießen. Dennoch machen wir uns nach ein paar Minuten wieder auf den Weg. Die Rucksäcke passen jetzt schon besser und der Wald ist immer noch schön. Wir folgen dem Weg. Nach einer weiteren halben Stunde führt uns das “Ü” in Richtung Ortsmitte Tegernsee. Oberhalb des Weges sehen wir eine herrschaftliche Villa. Wie wir später erfahren sollten, ist dort ein nicht ganz günstiges Restaurant beheimatet. Aber hey: Wir sind am Tegernsee. Unterhalb des unkomplizierten Weges, der auch mal ein paar Stufen hat und einen Bach quert, sind Wohnhäuser. Bald schon ist der Bahnhof von Tegernsee erreicht, das steilste Stück des Tages und wir suchen ein bisschen nach dem weiteren Weg. Nachdem wir diesen gefunden haben, erreichen wir die Seepromenade und gehen auf einem Holzsteig über Wasser in Richtung erste Stempelstelle im Rathaus von Tegernsee.
1. Stempelstelle: Check
Es ist zwar nur ein unscheinbarer Kasten an der Seeseite des mondänen Rathauses, der den Stempel für die Wanderer bereithält. Wir freuen uns aber dennoch den ersten Abschnitt geschafft zu haben und genehmigen uns erst einmal einen wunderbaren Zwetschgendatschi im benachbarten Seehaus und genießen den Seeblick. Nach der Pause folgen wir der Seepromenade, die hier Schlosspromenade heißt. Nach wenigen gemütlichen Minuten, in denen wir von einigen Spaziergängern wegen unseres Aufzugs beäugt werden, erreichen wir das berühmte Kloster Tegernsee mit Brauerei und Bräustüberl. Einkehren können wir leider nicht schon wieder. Es geht also weiter. Kurz danach endet die Promenade. Der Weg verlässt das direkte Ufer und führt kurz hinauf zur Hauptstraße. Leider ist dieses Stück nicht anders zu gehen. Zum Glück ist es nicht lang und der Weg biegt wieder Richtung See ab. Wir passieren eine Badestelle und erreichen einen besonderen Fähranleger.
Übersetzen wie einst der König
Zur Linken steht ein kleines Wartehäuschen und auf der rechten Seite ein Holzhaus. Ein Steg führt weit in den See hinaus. Bei unserer Ankunft ist dieses Kleinod verlassen. Denn die ‘Fähre’ startet gerade auf der gegenüberliegenden Seite die Rückfahrt. Nach ein paar Minuten hat sich der Fährmann rüber gekämpft. Wir schnappen unsere Rucksäcke und wollen schon einsteigen. Da sagt der Fährmann – er selbst nennt sich Überführer – in wunderbaren Oberbayerisch: “Gebt’s mir bitte fünf Minuten. Ich muss kurz durchschnaufen.” Es werden zehn. Was nicht schlimm ist. Wir haben Zeit und genießen derweil die Aussicht in Richtung Blauberge. Zu diesem Zeitpunkt wissen wir noch nicht, dass sie unser morgiges Ziel sein werden. Man kann sich die Überfahrt auch sparen und durch Rottach-Egern laufen. Die entsprechende Strecke ist ausgeschildert.
Dann geht sie los die (nicht ganz so wilde) Fahrt. Aber aufregend ist sie schon. Das geht schon beim Einsteigen los. Obwohl das Holzboot recht groß ist wackelt es ganz schön. Wir schaffen es dennoch unfallfrei und ohne unfreiwilliges Bad im See unsere Plätze einzunehmen. Auch wenn bis zu 18 Personen mitfahren könnten, sind wir die einzigen Passagiere. So kommen wir auf der etwa zehnminütigen Überfahrt ins Gespräch mit dem Fährmann, der stets ein Auge auf motorisierte Boote und reguläre Fährschiffe haben muss. Wir erfahren, dass das Boot vollbesetzt bis zu zwei Tonnen wiegen kann und er die Strecke an guten Tagen auch schon mal 40 rudert. Respekt!
Originalroute wird verlassen
Auf der anderen Seite angekommen, bietet sich uns ein wunderschöner Blick auf den See. Er liegt tiefblau glänzend und von der Sonne angestrahlt vor uns. Eine leichte Brise sorgt für ein bisschen Wellengang. Sie treibt auch einige Segelboote und Surfer an, die über das Wasser huschen. Rechts liegt das Kloster und links sehen wir unser Tagesziel: Bad Wiessee. Wir verlassen nun die eigentliche Route, die von hier nach Kreuth führt. Denn unsere Unterkunft liegt im Kurort an der Westseite des Tegernsees. Der Weg dahin ist recht unspannend. Einen letzten Höhepunkt gibt es aber noch: die Weißach. Wir überqueren das Flüsschen und laufen anschließend durch ein kleines idyllisches Wäldchen, das irgendwie auch zur Weißach gehören zu scheint. Überall kleine Bächen. Die Sonne bricht sich hier an ganz vielen Stellen. Ein tolles Licht und Schauspiel.
Danach stoßen wir auf die Bundesstraße. Daneben müssen wir ein ganzes Stück auf einem separatem Weg laufen. Aufregend ist das nicht. Auch die anschließende Durchquerung eines teilweise sehr mondänen Wohngebiets gehört nicht unbedingt zu den Dingen, die man im Leben gesehen haben muss. Von einem Mitwanderer wissen wir aber, dass der eigentliche Weg nach Kreuth der Weißach folgt und wirklich schön sein muss. Wir wollen also nicht zu hart ins Gericht gehen. Unsere Füße sind aber nur echt platt. Für solche Passagen wurde der Begriff ‘Hatscher’ geprägt. Wir sind auf jeden Fall froh als wir unsere Unterkunft erreichen. Dort werden wir bereits erwartet und freudig mit “ah, die Jugend trägt selbst” begrüsst. Was der Hausherr mit “Ich hab’ euch in den zweiten Stock gepackt, damit ihr schon einmal für morgen üben könnt. Wird anstrengend.” meint, merken dann auch recht schnell an Tag 2.
*Man erreicht Gmund am Tegernsee auch wunderbar mit den Öffis. Da wundert es auch nicht, dass der offizielle Startpunkt beim Bahnhof von Gmund liegt. Wir haben uns die Extra-Meter dahin gespart.