Bergsehnsüchtig

Draußen unterwegs

Etappe 6: Inzell nach Bad Reichenhall

Noch vor dem Start der heutigen Etappe nach Bad Reichenhall hat unser ‘Herbergsvater’ den treffenden Spruch zum Wetter geliefert: “Nach fünf Minuten seid ihr sowieso durch. Und dann ist es eh wurscht.” Er sollte recht behalten.

Wir starten im Ortszentrum bei zunächst nachlassendem Regen. In einem weiten Bogen durch den Kurpark, über wassergetränkte Wiesen und an unzähligen Pfützen vorbei, erreichen wir bei stellenweise sturzbachartig fallendem Regen den Ortsrand. Endlich erreichen wir einen Wald. Er schützt uns von nun an ein wenig. Den ersten kleinen Anstieg des Tages bewältigen wir leicht. Der Weg verläuft oberhalb von Max Aicher Arena und Zwingsee. Der Regen lässt merklich nach und kommt vorerst komplett zum Erliegen als wir auf die Bundesstraße nach Bad Reichenhall stoßen. Ihr folgen wir die nächsten Kilometer mal in mehr, mal in wenigen Metern Abstand.

Kurz nach dem Café Zwing überqueren wir die B305. Dort wird das Rauschen der regennassen Straße von einem anderen Rauschen abgelöst, das wir überhaupt nicht deuten können. Wenig später gehen wir eine Treppe hinab, die zu einer Art Aussichtsplattform führt. Und worauf wir schauen, macht uns sprachlos: ein tosender Wasserfall. Der Regen, der zurückliegenden Tage hat ihn anschwellen lassen. Über ein paar Stufen stürzt der Weißbach hier den namensgebenden Weißbachfall hinab. Atemberaubend. Feine Tröpfchen schweben durch die Luft und bilden auf unserer Haut einen feinen Film. Blätter und Gräser um den Fall herum schimmern feucht. Fast schon tropisch, wenn es nicht so kühl wäre. Wir gehen auf schmierigen, unregelmäßigen Stufen hinab, bis wir den Fuß des Weißbachfalls erreichen. Von hier wirkt das stürzende Wasser noch bedrohlicher. Deshalb wandern wir auch schnell weiter und folgen in unmittelbarer Nähe dem Weißbach.

Unerwartete Wegsperrung: Die Weißbachschlucht ist gesperrt

Der Weißbach hat sich auf den nächsten Kilometern tief eingeschnitten. Manchmal ist deshalb der Weg neben dem ruhig dahinfließenden Bach so schmal, dass er überflutet wird – wir durch den Bach und nicht daneben laufen. An anderen Stellen ist mehr Platz, und wir wandern dort, wo früher einmal eine Bahnlinie verlief. Sogar einen Tunnel durchschreiten wir. Rings um uns verhindert zudem dichtes Blätterdach irgendwelche Blicke auf die umliegende Bergwelt. Es schützt auch vor dem erneut einsetzenden Regen. Dieser wiederum sorgt dafür, dass wir ganz alleine unterwegs sind. Keine Menschenseele kreuzt unseren Weg, bis wir den Ort Weißbach an der Alpenstraße erreichen und der Länge nach durchschreiten. Uns wird der Weg in Richtung Mauthäusl gewiesen. Pünktlich zum weiter werdenden Tal kommt die Sonne raus.

Das Mauthäusl ist ein Landhotel und liegt direkt an der Weißbachschlucht. Unser eigentlicher Weg würde uns durch die Schlucht führen. Doch sie ist leider gesperrt – Hochwasser. Deshalb müssen wir zum einen heute woanders entlangwandern und zum anderen noch einmal wiederkommen. Denn die Weißbachschlucht wollen wir unbedingt sehen. Wir lassen also das Mauthäusl hinter uns, überqueren an der Höllenbachbrücke die Bundesstraße und steigen auf einer geschotterten Forststraße bergan in Richtung Bad Reichenhall. Spannend ist das zwar nicht, aber so können wir ‘Meter machen’. Schließlich fängt es wieder an zu regnen. Und schmierige Wurzeln oder matschige, steile Pfade würden das Vorwärtskommen nicht fördern.

Wir motivieren uns mit der Aussicht auf Einkehr auf der Höllenbachalm. Nach etwa 45 Minuten sehen wir die urigen Hütte auf einer großen freien Almfläche. Der Regen peitscht uns nun voll ins Gesicht. Als wir die Alm erreichen, wird uns schnell klar: Einkehr ist nicht. Alle Plätze belegt. Wir fragen uns, wo die ganzen Leute herkommen, denn schließlich waren wir fast allein unterwegs. Egal, wir müssen nun mit diesem Dämpfer zurechtkommen. Ein Naturschauspiel, das wir so noch nicht erlebt haben, werden wir aus unseren Gedanken gerissen: Die Almwiese ist buchstäblich so saftig, dass sie zu platzen scheint als wir sie betreten. Wabbelig, umschreibt die Bodenbeschaffenheit ganz gut. Wir sind als wir ohne ‘Einbruch’ den die Alm umgebenden Wald erreichen, und der Weg wieder fester wird.

Aussicht auf Seen und Berge

Der Regen lässt jetzt langsam nach. So haben wir auch Augen für Alpenveilchen in ihrem natürlichen Umfeld. Es klart zudem ein wenig auf, und wir sehen zum ersten Mal den Thumsee zu unseren Füßen. Der Abstieg beginnt. In zahllosen Serpentinen steigen wir auf dem Höllenbachsteig ab. Fels- und Wurzelstufen unterbrechen den feinschottrigen Untergrund. Leicht fällt das Herunterlaufen unter diesen Bedingungen nicht. Zudem hat sich Regenwasser im Laufe der Jahrzehnte tief in den Weg eingeschnitten, sodass sich an manchen Stellen links und rechts Erde mindestens hüfthoch auftürmt. Wenn uns jemand entgegenkäme, hätten wir ein Problem. Wir sind aber alleine und erreichen nach etwa einer Stunde den Thumsee. Im Sommer ist es hier sicherlich nicht so ruhig, denn das Thumseebad lädt zum Baden ein. Heute kreisen keine Schwimmer, sondern nur ein paar Enten.

Wir überqueren wieder eine Straße und wandern nun auf dem Soleleitungsweg in Richtung Alpenstadt Bad Reichenhall. Jetzt ist es nicht mehr weit. Durch Wald wandern wir auf entspannten Wanderwegen in Richtung Etappenziel. Das Tolle: Überall am Wegesrand sind kleine ‘Puppenstuben’ aufgebaut, die Geschichten erzählen. Wir bleiben an jeder Einzelnen stehen und bewundern die Details. Viele kleine Höhepunkte zum Schluss. Morgen legen wir erst einmal wieder einen Ruhetag ein bevor wir die letzten beiden Etappen vor dem Königssee unter die Wanderstiefel nehmen.

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