Bergsehnsüchtig

Draußen unterwegs

Tag 5: Der Höhepunkt – Aus dem Zillertal zum Sidanjoch

So stellt man sich eine Weitwanderung vor: Rucksack aufsetzen, vor die Unterkunft treten und sofort loswandern. Die heutige Etappe bietet genau das. Zunächst laufen wir durch den ‘Ort’ Hochfügen in Richtung Sidanjoch. Vorbei an Seilbahnen, die nur im Winter betrieben werden sowie geschlossenen Hotels und Pensionen. An den Berghängen ist jedoch in einigen Bauernhöfen bereits Leben. Die Sonne meint es heute wieder gut mit uns. Jedoch ist es noch recht frisch. Das merken wir als wir Hochfügen hinter uns lassen und auf einem fein geschotterten Fahrweg bergan gehen. Für die nächsten Minuten verläuft der Weg nämlich im Schatten und folgt dem Finsingbach. Es ist klamm und kühl. Doch lange bleibt es nicht so. Wir verlassen den Schatten und treten in die volle Sonne. Sie wird uns heute den ganzen Tag nicht mehr verlassen oder von Schatten getrübt werden.

Der Aufstieg beginnt

Der einfache Weg steigt nun unaufhörlich an. Und nach nicht einmal einer Stunde erreichen wir das Almgebiet Pfundsalm. Mehrere Bauerhöfe liegen dort über eine große Flache verteilt. Milchkühe beweiden die steilen Bergflanken. Ihre Glocken hallen im Tal nach und begleiten uns die nächste Zeit. Ansonsten ist nicht viel zu hören. Idylle pur. Wir genießen und halten öfter einmal an, denn der Anstieg fordert uns und wir müssen stoppen, um durchzuatmen. Die Aussichten machen es aber leicht, die Pausen zu ‘nutzen’. Eine ganze Zeit geht der Weg so bergan. Den Rosskopf immer im Blick. Nach einer weiteren Stunde erreichen wir eine interessante Kehre, die direkt durch den Finsingbach verläuft. Eine Brücke aus aufeinanderliegenden Steinblöcken ermöglicht es, den hier breit verlaufenden Bach trockenen Fußes zu überqueren. Wir gehen aber trotzdem durch das flache Wasser hindurch.

Danach wird es noch steiler. Serpentinen erleichtern den Höhengewinn etwas. Anstrengend ist es trotzdem. Das Gewicht unserer Rucksäcke, die wir mittlerweile gar nicht mehr spüren, tut sein Übriges. Doch die Talblicke entschädigen für die Mühen. Schon jetzt ist die heutige Etappe atemberaubend. Dabei kommen die eigentlichen Highlights erst noch. Das Sidanjoch wird das erste sein. Bevor wir es erreichen, verlassen wir den leichten Weg. Ab jetzt gehen wir einen steilen Pfad in engen Serpentinen direkt in einer Bergflanke weiter Richtung Joch. Kurz vor dem Joch sehen wir Erdgeschichte live: von Gletschern geschliffene Felsen.

Dann ist es soweit: Wir erreichen das Sidanjoch und vor uns eröffnet sich ein Ausblick, der uns den Atem raubt. Es zeigt sich nicht nur das Zillertal, sondern die Tuxer Alpen präsentieren einen Teil ihrer bekanntesten Gipfel. Sogar den Tuxer Gletscher kann man in der Ferne im Dunst erahnen. Ein Panorama, das man nicht vergessen kann. Mit uns zusammen sind ein paar weitere Überquerer angekommen. Ansonsten stört niemand diesen Moment. Wir verweilen ein bisschen. Trotzen dem Wind, der an dieser exponierten Stelle leichtes Spiel hat. Und genießen.

Die Rastkogelhütte ruft

Leider müssen wir uns wohl oder über vom Sidanjoch lösen und beginnen mit dem Abstieg zur Rastkogelhütte. Dafür queren wir auf einem schmalen Pfad die Bergflanke. Es dauert nicht lange und wir erreichen die Hütte. Dort rasten wir – tolle Möhren-Ingwer-Suppe. Schließlich warten noch ein paar Höhenmeter bis zu unserem Ziel: dem Melchboden. Nach dem Leeren unserer Suppenschalen halten wir noch einen kurzen Schwatz mit Mitwanderern und machen uns wieder auf den Weg. Für ein paar Minuten folgen wir nun bergab dem Fahrweg zur Rastkogelhütte. Viel Verkehr ist hier trotzdem nicht.

Mit Glück finden wir dann den Abzweig zum Kreuzjoch/Mitterwandskopf. Denn es gibt nur einen kleinen Pfeil, der zum Aufstieg weist. Es ist auch eine der ganz wenigen Stellen auf der gesamten Überquerung, die nicht ganz eindeutig ist. Aber wenn man die Augen aufhält…

Wir laufen nun ein Stückchen über Wiese. Wie es scheint, wurde sie bis vor kurzem noch beweidet. Denn die Wasserstelle für die Kühe ist noch in Betrieb. Sie wird aber nicht mehr gebraucht. Stattdessen hat sie ein breites Stück des saftigen Grüns überflutet und die Fladen der Weidetiere aufgelöst. Für uns heißt es: Nase zu, nicht zu fest auftreten und durch. Danach gewinnen wir wieder schnell an Höhe. Ein steiler Pfad führt in Serpentinen nach oben: das Kreuzjoch zur Linken, den Mitterwandskopf zur Rechten.

Das Schönste kommt erst noch

Für uns beginnt jetzt die schönste Passage des heutigen Tages. Wir folgen einem breiten Bergrücken. Rechts können wir tief ins Zillertal schauen und sehen Pracht der Tuxer Alpen. Links kann man bis zu den ersten Liften sehen, die aus dem Hochzillertal heraufkommen. Soweit entfernt ‘stören’ diese aber das grandiose Bild überhaupt nicht. Hinter uns liegt schon ein Stück entfernt das Sidanjoch. Vor uns ein schmaler Pfad, der uns zunächst zum Mitterwandskopf bringt. Es ist wunderschön und atemberaubend hier. Nach dem ersten Gipfel dieses Teils und einem kurzen Abstieg wird es sogar noch schöner. Denn der Bergrücken weitet sich zu einem kleinen, baumlosen Hochtal. Das Gras ist bereits leicht bräunlich und einige kleine Tümpel mit klarem Wasser lockern die Weite auf. So haben wir die Berge noch nicht gesehen!

Der Rauhenkopf ist der nächste Gipfel. Der Aufstieg geht schnell und unkompliziert. Wir merken kaum, dass wir ihn überschreiten. Danach setzt sich das Hochtal fort. Dabei müssen wir uns zwingen, auch zu schauen, wo wir hintreten, denn ist einfach so unfassbar schön und unsere Blicke wandern stets von rechts nach links. Dazu ist es hier oben überhaupt nicht überlaufen. Ein paar Wanderer sind hier. Ein paar Dohlen. Das war’s. Wir wandern jetzt auf das Gipfelkreuz des Arbiskopfes zu, das an der Kante zum Tal stehen scheint. Denn danach gibt es von unserem Weg aus gesehen nichts mehr. Nur noch Tal und weiter dahinter Bergketten. Was für eine Perspektive! Das letzte Stück bis zum Kreuz schaffen wir rechts schnell und genießen den Blick ins Tal nach Mayrhofen.

Beim Abstieg zum Melchboden müssen wir uns dann ein wenig beeilen. Denn wir wollen mit dem Bus nach Mayrhofen fahren und uns so zusätzliche 1.400 Abstiegsmeter sparen. Da zum Zeitpunkt unserer Überquerung der letzte Bus um 16:30 Uhr fuhr. Es hieß also: Gas geben. Wir haben den Bus erreicht und konnten vorher sogar noch in der Jausenstation einkehren – und lassen die umwerfenden, atemberaubenden Eindrücke des heutigen Tages Revue passieren.

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