Bergsehnsüchtig

Draußen unterwegs

Erzgebirge: Rund um Oberwiesenthal

‘Against the rain’ und europäische Einigung live

Bob Seeger sang einmal ‘We are running against the wind’. Der Song konnte umgeschrieben werden als ich die Tour mit zwei Freunden im Juli 2017 lief. Neu musste er nun heißen: ‘We are running against the rain.’ Denn fast auf der gesamten Tour um Oberwiesenthal begleitete uns der ‘Rain’. Ein Test nicht nur für’s Material sondern vor allem für die Moral.

Gestartet am ‘Apparthotel & Restaurant Jens Weissflog’ in Oberwiesenthal – übrigens: toll gelegen, mit super Essen, aber vor allem mit echt großartigen Menschen und einem ‘richtigen’ Gastgeber – gingen wir die Sylke-Otto-Tour verkehrtherum an. Diesen Tipp gab uns am Vorabend ein Einheimischer. Die Aussicht auf den Kamm des Erzgebirges sei so schöner und länger zu genießen. Also geht es nicht zuerst auf den Fichtelberg, sondern zunächst auf den Keilberg nach Tschechien. Und auf dem Weg erlebt man ein Musterbeispiel an europäischer Einigung: ein paar Schritte über Bundesstraße und Bahnübergang, und schon ist man in Tschechien. Keine Grenzkontrollen! Nichts! Nur ein kleines Schild erinnert daran, dass man jetzt in einem anderen Land ist. Also ich finde das toll, denn ich kenne es auch noch anders.

Klínovec ist der höchste Gipfel des Erzgebirges

Vorbei an kleinen, idyllisch gelegen Wochenendhäuschen nehmen wir also zunächst den Klínovec – Keilberg auf deutsch – unter die Wanderstiefel. Sehen konnten wir ihn nicht, denn er lag im Nebel oder Regen – ganz wie man will. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir noch die Hoffnung, dass es aufreißen und abtrocknen würde, um doch noch einen Gipfelblick beim Aufstieg erhaschen zu können.

Schlimmer geht immer

Um überhaupt ein bisschen Orientierung zu haben, gehen wir die Skipiste bergan. Die ist breit genug, um Pfützen und Morast ausweichen zu können. Dafür ist sie aber recht steil und fordernd. Die Piste im Winter gemäß ihrer eigentlichen Bestimmung zu nutzen, macht sicherlich Spaß. Bei uns sorgt sie dafür, dass wir nicht nur von außen nass werden, sondern dass auch innen der Schweiß rinnt.

Nach einer knappen halben Stunde haben wir dann endlich den Gipfel erreicht. Aber wie sie sehen, sehen sie nichts. Deshalb macht es auch keinen Sinn, den Aussichtsturm zu erklimmen. Wir würden nur noch höher in den ‘Nebelregen’ steigen. Also sparen wir uns das kleine Eintrittsgeld und suchen auf dem etwas trostlosen Plateau den Weg, um unsere Wanderung fortzusetzen. Nach ein paar Minuten fanden wir den Einstieg an der Rückseite des Turmes. Von nun an geht es bergab – mit dem Weg, dem Wetter und unserer Moral.

Was uns allerdings immer wieder aufbaut, sind die überaus freundlichen Wanderer, die uns begegnen. Sie haben mehrheitlich nur einen einfachen Regenponcho als Wetterschutz. Doch das scheint sie nicht zu stören, denn sie werfen uns stets ein freudiges “Ahoí” entgegen. Also sollten wir uns nicht so anstellen. Der nun dichte Nadelwald beschirmt uns für die nächsten Minuten etwas. Ganz so als wöllte er dafür sorgen, dass wir so unsere  Konzentration dem morastigen Boden widmen. Das ist auch nötig. Die Wanderstiefel schmatzen. Größere und kleinere Sprünge sind nötig, um Rinnsale oder Pfützen zu überwinden. Es geht voran. Bis zu einer Schutzhütte, die wir nutzen, um uns für das nun kommende zu stärken.

Was folgt, macht wirklich keinen Spaß mehr. Es geht den Kamm entlang und die Elemente Wind und Wasser greifen wirklich aus allen Richtungen an. Eine ‘richtige’ Regenhose wäre spätestens jetzt ratsam gewesen. So bleibt nur noch so schnell wie möglich zu laufen. Eine halbe Stunde kann echt lang sein! Und kaum sind wir im Tal von Boží Dar lässt der Regen nach. Wir sind durch!

Trocknen zu leckeren Knödeln

Boží Dar – zu deutsch Gottesgab – gilt als die höchstgelegene Stadt in Tschechien und ist ein bedeutendes Wintersportzentrum. Das interessiert uns wenig. Wir wollen nur noch ins Warme und raus aus den nassen Klamotten – so weit das möglich ist. Also kehren wir in eines dieser urigen Gasthäuser ein, die es so in Deutschland nur noch sehr wenig gibt. Lassen das Wasser im Vorraum und füllen unsere Mägen mit einer zünftigen, typischen, warmen Mahlzeit: Knödel mit Gulasch. Ein Traum! Beim anschließenden Aufstieg zum Fichtelberg rächt sich dieser Traum. Jeder Schritt fällt schwer. Aber wenigstens hat es mittlerweile aufgehört zu regnen. Nur der Nebel stört noch. So erreichen wir auch den zweiten Gipfel ganz ohne Fernblick. Egal. Wir freuen uns trotzdem auf dem höchsten Berg der ehemaligen DDR zu stehen.

Regenwald und die Schanzen von Oberwiesenthal

Beim folgenden Abstieg fehlt der Ausblick noch weniger, denn es geht durch ein enges Tal mit einer Menge Bäume, Sträucher, Farne. Nach den stundenlangen Regenfällen ist es hier zwar auch sehr nass, matschig und rutschig. Aber die nun durchbrechende Sonne lässt dieses Teilstück fast regenwaldartig aussehen und entschädigt. Als wir dann auch noch bei den Sprungschanzen von Oberwiesenthal rauskommen, ist die Überraschung umso größer – wegen der Schanzen und des nun vorhandenen Fernblicks und der Aussicht auf unsere gegangene Route.

Tour ist wunderbar ausgeschildert

Nachtrag: Ich habe auch schon Touren gemacht, auf denen mich mein GPS ‘gerettet’ hat, weil es keine oder nur eine sehr schlechte Ausschilderung gab. Das gilt hier nicht. Bis auf zwei Stellen wurden wir herausragend geleitet – Verlaufen eigentlich unmöglich! Es gibt noch neun andere Touren in und um Oberwiesenthal, die alle die Namen aktueller und vergangener Spitzensportler der Region tragen. Wenn diese unterschiedlich schweren Wanderungen auch so gut ausgeschildert sind – konnte ich nicht testen – dann haben die Verantwortlichen alles richtig gemacht. Und das Wichtigste: Die Besucher/Wanderer haben Spaß!

Als ob der Wettergott uns entschädigen wollte, hat er für den nächsten Tag Sonne bereitgestellt. Die Fotos sind an diesem Tag entstanden:

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