Der zweite Tag startet für uns mit einer kurzen Busfahrt. Sie bringt uns in die Blauberge. Dafür stellen wir uns in Bad Wiessee an eine im Vorfeld definierte Haltestelle. Die Wartezeit nutzen wir dafür, ein paar Mitwanderer kennen zulernen. Und werden dabei gleich in die Wirklichkeit der Alpenüberquerung katapultiert. Wir waren bis dahin der Auffassung, dass uns an diesem bewölkten Morgen ein ‘Bulli’ abholen und zum Startpunkt bringen würde. Wie wir allerdings erfahren durften, steht genau das Gegenteil für unseren Transport bereit: ein ausgewachsener Reisebus. Der sollte nötig sein, denn mit uns machen sich mehr als 30 Überquerer auf den Weg. Mitgezählt sind dabei noch nicht einmal die ‘Individual-Überquerer’, die sich die Übernachtungen zwischen den einzelnen Etappen selbst ausgesucht und gebucht haben. Wir sind also mittelschwer geschockt als der Bus nach kurzer Wartezeit um die Kurve biegt und uns am Rathaus abholt.
Startpunkt: Wildbad Kreuth
Eine Viertelstunde dauert die Fahrt. Unterwegs werden noch weitere Haltepunkte angefahren und Kreuth durchquert. Anschließend fährt der Bus die Haltestelle Siebenhütten/Kreuth an. Die Türen werden geöffnet. Hier startet Tag 2. Es zeigt sich recht schnell: Der Mensch ist ein Herdentier. Fast alle Businsassen stürmen los. Wir lassen uns Zeit. Schultern die Rucksäcke und starten mit ein paar Minuten ‘Verspätung’ in Richtung Blauberge.
Wir passieren einen Wanderparkplatz. Überqueren die Weißach und biegen nach rechts in auf einen schmalen Pfad ab, der sofort ansteigt. Wurzeln der zahlreichen Bäume durchziehen von Zeit den Weg. Aber alles ist unkompliziert und erfordert keine übermäßige Konzentration. Je mehr der Pfad an Höhe gewinnt, desto lichter wird der uns umgebene Wald. Noch ist es ein bisschen trüb. Erste Ausblicke auf die uns umgebenen Berghänge werden aber möglich. Wir passieren nach etwa drei Kilometern die unbewirtschaftete Geißalm mit ihren zahlreichen Kühen. Unsere Rucksäcke fangen übrigens langsam an, unsere Freunde zu werden.
Immer tiefer ins Mangfallgebirge
Das Gelände steigt im Folgenden immer weiter stetig an. Die ersten Serpentinen folgen. Der Untergrund lockerer und zwischendurch richtig steil. Wir müssen immer öfter verschnaufen. Aber wir sind nicht alleine. Die Pausen der anderen Überquerer häufen sich auch. So geht über zwei Kilometer dahin. Zwischendurch machen wir ein paar Extrameter und erklimmen einen namenlosen Aussichtspunkt mit fast 360°-Blick auf die Blauberge.
Bald schon erreichen wir ein Plateau, von dem wir erhofften, dass sich dort bereits die Blaubergalm befinden würde. Wir werden zwar enttäuscht – die Alm kommt später – aber gleichzeitig belohnt: mit tollen Ausblicken und einem weichen, saftigen Waldboden. Zahlreiche Blumen und Büsche, die den Weg einhegen, machen dieses Fleckchen zu etwas unverwechselbaren. Wenn die zahlreichen Mitwanderer nicht wären, die hier Rast machen, käme auch noch Ruhe dazu.
Der Schildenstein lockt
Einen noch besseren Blick auf die Bergwelt offeriert der Schildenstein, der von hier bestiegen werden kann. Für einen kurzen Moment überlegen wir, den Aussichtspunkt in Angriff zu nehmen. Unsere Rucksäcke sagen uns aber: keine gute Idee. Deshalb lassen wir den Schildenstein buchstäblich links liegen. Einige unserer Mitwanderer haben aber noch Luft – und ‘nur’ Tagesrucksäcke – und gehen die Extrameter.
Weiter geht es in Richtung Blaubgergalm. Der Weg, der zwischenzeitlich eher ein schmaler Steig ist, steigt jetzt nur noch gemächlich an. Das lässt Zeit, sich umzuschauen. Man sieht nicht nur (Nadel-)Wald und tolle Landschaften, sondern auch eine Landesgrenze. Denn die Grenze zwischen Deutschland und Österreich wird kurz vor der Blaubergalm passiert. Man merkt es nicht. Nur ein Schild macht darauf aufmerksam. Kurz danach fordert uns ein kurzer, dafür aber umso steilerer Anstieg heraus. Doch eine ausgiebige Rast lockt – die Blaubergalm ist erreicht.
Die Blauberge liegen hinter uns
Nach leckerem Kuchen und tollen Gesprächen auf der Alm geht es jetzt abwärts, dem heutigen Tagesziel entgegen: Achenkirch. Zunächst geht es auf einer Forststraße recht unspektakulär nach unten. Nach dem recht anstregenden Aufstieg ist das sehr angenehm. So kann man weiter die Aussicht genießen, Blumen und Schmetterlinge am Wegesrand betrachten und sich mit neu gewonnenen Bekannten unterhalten, ohne zu sehr auf den Weg achten zu müssen.
In Serpentinen verlieren wir schnell an Höhe. Durchqueren ein Waldstück mit tollem Lichtspiel – die Sonne bricht immer mal wieder durch – und schön weichem Boden. Bis auf ein paar andere Mitwanderer ist hier niemand. Denn die anfängliche Ballung von Menschen hat sich im Laufe des Tages aufgelöst. Viele sind schon vor uns. Aber auch einige noch hinter uns. Zeit genug ist für ausreichend Pausen.
Kurz darauf haben wir auch schon die Forststraße erreicht, die parallel zum Klammbach verläuft und uns nach Achenwald führt. Dort werden wir auch recht schnell an die Zivilisation erinnert: Ein Holzlaster zwingt uns fast in den Bach zu springen. Ansonsten hat auch dieser Wegabschnitt einige schöne Passagen. Einen kleinen Wasserfall, den wir zum Erfrischen nutzen. Saftige Wiesen. Bäume, die Schatten spenden.
Nach etwa sieben Stunden, inklusive Pausen, erreichen wir die B181. Hier müssen wir parallel zur Fahrbahn ein Stückchen in Richtung Gasthaus Marie laufen. Denn von dort werden wir das letzte Stückchen nach Achenkirch mit dem Linienbus fahren. Ok, wir müssen über eine Stunde warten. Aber das ist es uns heute nach der ersten ‘richtigen’ Etappe durch die Blauberge wert.