Der Große Ochsenkopf ist das Ziel dieser schönen Tour, die im ‘Schatten’ des Riedberger Horns verläuft und alle Facetten eines rundum gelungenen Herbsttages in den Bergen bietet: Nebel – Kälte am Morgen, Sonne – Wärme am Mittag, Regen – Nässe am Nachmittag.
Steil voran in Richtung Sonderdorf
Das Allgäu bietet eine Menge Touren, die teilweise enorm überlaufen sind. Bewegt man sich ein bisschen vom touristischen Zentrum Oberstdorf weg, nimmt die Zahl der Wanderer stark ab. Die Hörnergruppe – unser heutiges Ziel – beispielsweise ist weniger frequentiert.
Los geht es auf dem Parkplatz der Hörnerbahn in Bolsterlang. Dort starten wir bei kühlen Temperaturen – die Nacht davor war kalt und nah dem Gefrierpunkt – in Richtung Sonderdorf/Sonderdorfer Kreuz. Und gleich geht es kräftig auf einem Schotterweg bergan. Die Kälte wird gleich vergessen und der Schweiß beginnt zu fließen. Dabei ist schon früh ein Merkmal dieser Tour deutlich erkennbar: der freie Ausblick auf Grünten, Sonnenköpfe und die Oberstdorfer Berge. Dies alles begleitet uns den Rest des Tages.
Am Sonderdorfer Kreuz geht es dann rechts ab, über eine Kuhweide weiter bergan. Vorher wird ein kleines Wäldchen mit Laubbäumen passiert, das im Herbst mit wunderschönen Farben aufwartet. Jetzt könnte man eine erste Rast machen. Zahlreiche Bänke laden dazu ein. Wir nutzen diese nur, um uns der ersten Lagen zu entledigen. Weiter geht’s. Etwas fällt auf: Nur wenige Wanderer begleiten uns. Und ein Großteil davon nimmt kurz darauf einen anderen Weg wie wir. Während wir weiter Richtung Zunkleiten-Alpe wandern, gehen unsere Begleiter den direkten Weg zum Weiherkopf/Bergstation Hörnerbahn.
Momente kompletter Einsamkeit
Man soll es nicht glauben, aber nach diesem Abzweig sind wir ein ganzes Stück allein – keine Menschenseele. Die einzigen Geräusche sind entfernt ein paar Kuhglocken und gelegentlich ein Windhauch. Es gibt sie noch, die Momente der Einsamkeit – auch in den Allgäuer Alpen. Bevor wir uns aber an diesen sehr angenehmen Zustand gewöhnen können, kommt die Zunkleiten-Alpe in unser Blickfeld. An diesem Tag liegt sie einsam und wenig geschäftig im Bolgental – nur die großen Glocken des Viehscheids werden gesäubert. Wir lassen die Alpe buchstäblich links liegen und folgen die Fahrstraße weiter bergan. Nach etwa einem Kilometer verlassen wir die nicht sehr aufregende Straße und beschreiten den unbefestigten Pfad in Richtung Alpe Hinteregg und Berghaus Schwaben. Hier lohnt es einmal mehr, sich umzudrehen. Denn an dieser Stelle schaut man in das ‘offene’ Bolgental, auf die gegenüberliegenden Sonnenköpfe sowie Wannenkopf und Großen Ochsenkopf zur Rechten.
Nun ändert sich nicht nur die Landschaft – es geht fortan durch einen Nadelwald, sondern auch mit der Einsamkeit ist es vorbei. Uns kommen die ersten Wanderer von oben entgegen. Diese haben höchstwahrscheinlich die Bahn nach oben genommen und steigen nun ins Tal hinab. Für mich – und vor allem meine Knie – ist die Art der Routengestaltung nicht besonders reizvoll. Ich gehe liebe bergan. Aber auch hier: Jeder wie er es mag, oder kann.
“Ein toller Ausblick, wenn nur die Berge nicht wären”
Nach etwa einer halben Stunde ist das Wäldchen durchschritten und die Alpe Hinteregg erreicht. Dort machen wir Rast. Wir gehen absichtlich nicht die wenigen Minuten zum Berghaus Schwaben. Warum? Eine Fahrstraße verläuft in Sichtweite der Alpe. Und diese verbindet die Bergstation der Hörnerbahn mit dem Berghaus. Dementsprechend ist sie gut frequentiert. Das wollen wir uns nicht geben und rasten unterhalb der Straße. Der Ausblick dort ist ähnlich schön wie auf dem Berghaus, dafür scheuen sich viele der ‘Straßenbenutzer’, den Weg hinabzugehen. Somit ist es hier ein bisschen heimeliger und die Brotzeit ist großartig. Zudem hätten wir einen wunderbaren Dialog am Nachbartisch verpasst, wenn wir weiter gelaufen wären. Dort saß auch ein Pärchen, das scheinbar noch nicht hier oben war. Denn die Frau antwortete auf die Frage ihres Mannes, wie sie es denn hier fände, wie folgt: “Ein toller Ausblick, wenn nur die Berge nicht wären!” Das lass ich jetzt mal so stehen.
Nach Rast und ‘Straßenbenutzung’ passieren wir das Berghaus Schwaben, das an diesem schönen Herbsttag gut frequentiert ist. Wir brauchen ein wenig bis wir den Weg, der uns hinaufführt zum Großen Ochsenkopf. Obwohl, Weg ist das falsche Wort. Es ist vielmehr ein steiler Pfad über Stock und Stein, der den gravierenden Vorteil hat, dass er aufgrund seiner Beschaffenheit nicht überlaufen ist. Nur wenige Wanderer begleiten uns bergan, dafür kommen uns ein paar mehr entgegen. Augen für die auch von hier eindrucksvolle Landschaft hat man zwangsläufig. Warum? Man muss zwischendurch einfach mal Luft holen. Denn der Pfad ist wirklich steil und der etwas morastige Waldboden macht es nicht einfacher. Dafür ist es die Luft wirklich wert, eingeatmet zu werden. Und so vergeht eine weitere halbe Stunde, bis man einen breiten Kammweg und eine ‘T-Kreuzung’ erreicht. Links geht es zum Großen Ochsenkopf, rechts zum Weiherkopf. Doch der ist erst später das Ziel.
Großer Ochsenkopf mit traumhaften 360°-Panorama
Zunächst geht es in engen Serpentinen weiter bergauf. Und das eröffnet nun auch den Blick auf die andere Seite des breiten Weges – in das Gunzesrieder Tal und auf die Nagelflugkette. Nach weiteren zehn Minuten Aufstieg ist es dann vollbracht: Der große Ochsenkopf ist erreicht. Und was sich dann dem Wanderer bietet, ist mit atemberaubend nur unzureichend beschrieben. Denn das Panorama bietet mit Grünten, Sonnenköpfe, Oberstdorfer Bergen, Riedberger Horn, Nagelfluhkette und Weiherkopf eine nicht endenwollende Vielfalt. Jetzt heißt es erst einmal Pause machen und das alles auf sich wirken lassen.
Irgendwann ist dann aber auch die längste Pause vorbei und der schönste Ausblick genossen. Wir müssen weiter. Schließlich steht noch ein weiterer ‘Hörnerkopf’ auf unserer Tagesordnung. Um auf den Weiherkopf zu gelangen, müssen wir zunächst ein Stück zurückgehen und vom Ochsenkopf ein paar Höhenmeter absteigen. Aber das hält sich alles in Grenzen. Nach kurzer Zeit sind wir dann wieder an der Weggabelung, die zum Berghaus Schwaben führt. Diesmal passieren wir die Gabelung auf geradem Wege. Der Kammweg, der die ‘Köpfe’ miteinander verbindet, verdient seinen Namen hier eigentlich nicht. Denn er ist mehr als breit genug, hat einen komfortablen Weg und genug Nadelbäume, die Schatten bieten.
Abruptes Ende am Weiherkopf
Nach etwa einer halben Stunde wird es dann doch noch einmal ein bisschen komplizierter. Der Pfad wird schmaler, steiler und fällt zudem noch ein wenig zur Seite ab. Da heißt es, sich noch einmal konzentrieren. Wobei klar ist, dass der Weg zum Aufsteigen leichter fällt, als ihn abzusteigen. Die Gruppe, die uns entgegenkommt, tut sich auf jeden Fall ganz schön schwer.
Uns fallen die letzten Meter zum Weiherkopf auch nicht mehr so leicht, aber auch dort werden wir mit einem grandiosen Panorama für unsere Mühen belohnt. Leider vertreibt uns der einsetzende Regen recht schnell von diesem schönen Ort. Zu unserem Glück befindet sich nur wenig unterhalb des Weiherkopfes die Bergstation der Hörnerbahn. So endet unsere aussichtsreiche Tour zwar abrupt, aber dennoch halbwegs trockenen Fußes.